Jahresbericht

Jahresbericht 2023 – Editorial

Alles Krise? Verantwortungsvoller Wohnraumversorgung fehlt es an Unterstützung

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

wir blicken auf das Geschäftsjahr 2023 – unser Jubiläumsjahr 75 Jahre nach Gründung. Die Beschäftigung mit Herkunft und Zukunft hat uns durch eine ereignisreiche Zeit getragen. Wir sind in der Siedlungswerk-Gruppe gut vorangekommen, bauen weiter, entwickeln und ertüchtigen unseren Wohnungsbestand. Schwerpunkte und Niveaus verändern sich aber in einem Umfeld, dessen Rahmenbedingungen selten so düster beschrieben wurden. Über 900.000 Wohnungen fehlen in Deutschland, von den angekündigten jährlichen 400.000 Wohnungen ist leider weit und breit nichts zu sehen. Es ist eher das Gegenteil zu beobachten. Im Vergleich zu 2022 – dem Jahr des rasanten Zinsanstiegs, der dem langanhaltenden Aufwärtstrend im Wohnungsbau ein abruptes Ende setzte – sind die Bauanträge um 40 Prozent zurückgegangen.

Der Wohnungsmarkt driftet auseinander: Zwischen Eigentum und Miete, Stadt und Land, gehobenem (auch energetischem) Standard für Klientel, das es sich leisten kann und drastisch verschärften Bedingungen für Menschen mit Schwierigkeiten im Zugang zum Wohnungsmarkt. Wer kann, bleibt wo er ist, ob technisch oder energetisch saniert oder eben nicht. Haushalte mit gutem Einkommen und guter Bonität können die aktuelle Zinsberuhigung nutzen. Insgesamt werden aber Erwerber noch immer viel zu wenig unterstützt. Die Belebung am Wohnungsmarkt könnte weit höher ausfallen. Teilhabe an Wohneigentum via Förderung – Fehlanzeige! Insbesondere Familien, ganz besonders den jungen Familien, wird heute vorenthalten, was früheren Generationen möglich war. Viele können aber nicht mehr abwarten auf Grund der Familienplanung und beruflicher Mobilität oder müssen sich als Zugezogene irgendwie versorgen

Das Siedlungswerk ist in allen Segmenten der Wohnraumbedarfe aktiv, aber es ist für gemeinwohlorientierte Unternehmen mit dem Fokus auf bezahlbares, leistbares Wohnen sehr schwer geworden, neue Angebote zu schaffen. Das betrifft einerseits Mietangebote im unteren und mittleren Bereich, wie auch die entsprechenden Angebote für die Selbstnutzer im Eigentum. Hierzu passen in keiner Weise die Preisvorstellungen von Grundstücksbesitzern – seien es Private oder Kommunen – die in besonderer Weise von der Bodenpreisrallye finanziell profitiert haben. Baulandmodelle mit vielfältigen Abschöpfungs- mechanismen sollen preisgünstigen Wohnraum bereitstellen, müssen aber in Zeiten teurer Finanzierungen am Kapitalmarkt und weggebrochener Förderung neu justiert werden. Vor allem ist die sogenannte Staatsquote beim Bau von Immobilien mit 37 Prozent einfach nicht mehr zeitgemäß. Daran haben alle ihren Anteil – vom Bund über die Länder bis zu den Kommunen. Alle drei Ebenen haben zudem an einer Regulatorik mitgewirkt, die vor Ort als überbordende Bürokratie wahrgenommen wird und letztlich die ohnehin sehr hohen Baukosten weiter nach oben treiben. Hier ist von Politik, Staat und Verwaltung ein grundsätzlicher Einstellungswandel erforderlich, denn letztlich sind die Belastungen nicht mehr auf Mieter und Eigentümer oder die Wohnungsunternehmen abwälzbar. Letztere sind mit der Bestandspflege, der Dekarbonisierung und, so wie das Siedlungswerk, mit der europäischen ESG-Taxonomie bereits gut ausgelastet.

Woran es fehlt, da gibt es kein Erkenntnis – sondern ein Umsetzungsproblem. Wohnen ist ein Grundbedürfnis für alle, so oder so ähnlich können derzeit viele Wahlplakate interpretiert werden. Dabei fragen sich Bürgerinnen und Bürger zu Recht, wie ernst ihre Sorgen und Bedürfnisse genommen werden.

Trotz all dieser schwierigen Rahmenbedingungen, schaut die Siedlungswerk-Gruppe mit Zuversicht nach vorne. Das gesamte Unternehmen arbeitet auch weiterhin für den eigenen Erfolg und das Gemeinwohl. Die soziale und verantwortungsvolle Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit Wohnraum ist der Auftrag und die Motivation des Siedlungswerks und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Die Geschäftsführung des Siedlungswerks
Ina Ramsauer, Jürgen Schilbach, Norbert Tobisch und Christoph Welz